Naturkunde im Umfeld der Umma (pdf)

Klaus Schlüpmann

Die sagenhafte (Wieder-) Aufnahme naturkundlichen Denkens in den mittelalterlichen islamischen Reichen

 

Unverbindlicher Abriss der "politischen" Geschichte

Mohammed, der Prophet der neuen Offenbarungs- und Buchreligion "Islam" (übersetzt etwa "Gottes tätige Untertanen") starb 632 als theokratisches Oberhaupt aller Stämme und Familienklans der arabischen Halbinsel. In nur drei Jahrzehnten unterwarfen dann die Heerscharen der Kalifen ("Nachfolger") den ganzen vorderen Orient vom (heutigen) Libanon und Anatolien bis Iran und im Westen bis Libyien. Ab 661 wurde der Kalif nicht mehr gewählt, die erste Kalifendynastie der Umayyaden (ihr Vorfahre Umayya war ein indirekter "Onkel" des Propheten) etablierte sich. Allerdings spaltete sich hier schon die Umma (islamische Glaubensgemeinschaft), die Opposition trennte sich von der Sunna ("rechter Weg") in einer Schia ("Anhängerschaft", gemeint ist die von Mohammeds Vetter und Schwiegersohn Ali), in der sich eine etwas andere Lehre entwickeln sollte. Als 749/50 die Abbassiden (ihr Vorfahre Abbas war ein direkter Onkel Mohammeds) sich kriegerisch durchsetzen konnten, reichte das Kalifat ihrer Vorgänger über das ganze persische Sasanidenreich bis Afghanistan und bis zum Indus im Osten und im Westen über den ganzen Maghreb und den größten Teil der iberischen Halbinsel. Bagdad wurde die Hauptstadt und die folgenden Jahrzehnte mögen (mit verengendem Blick auf ein "Kulturerbe" ) als "goldene" gelten, obwohl Feldzüge, Revolten, mehr oder minder große Unabhängigkeit von Teilgebieten keineswegs ein Ende fanden.

Schon 765 hatte sich die Schia im Nachfolgestreit um ihr geistliches Oberhaupt in Imamiten, Zaiditen (heute noch im Jemen) und Ismailiten (die Ahnen der heutigen Drusen) gespalten. Im 10. Jahrhundert entstehen dann "Gegenkalifate", die ismailitischen Fatimiden (nach Fatima, Mohammeds Tochter und Frau von Ali) übernehmen (909) die Herrschaft in Ifriqiya, der ehemaligen römischen Provinz Africa : Libyen, Tunesien, Ostalgerien; später auch in Ägypten (Gründung der Hauptstadt Kairo 969) und zeitweise in ganz Algerien und Marokko. Ein letzter Umayyad war seinerzeit den Abbassiden nach Al-Andalus entkommen, konnte sich auf der iberischen Halbinsel durchsetzen und gründete das Emirat Córdoba. Seine dynastischen Nachkommen beanspruchten ab 929 das Kalifat, und Córdoba (mit ca. 1/2 Million Einwohnern) stand bald für einige Jahrzehnte (bis ins 11. Jahrhundert) in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht Konstantinopel und Bagdad kaum noch nach. Im "Kernreich" konnte von 945 bis 1055 die (schiitische) persische Buyiden-Dynastie die Kontrolle über weite Teile erobern, der (arabische) Kalif war fortan nur noch geistliches Oberhaupt. Das blieb er auch, als die (sunnitische) türkische Seldschuken-Dynastie 1055 die Herrschaft erobert hatte, und der Sultan (arabisch, etwa "die Autorität") sie für ein-zwei Generationen von Anatolien bis zum Hindukusch und von Georgien bis zur arabischen Halbinsel ausüben konnte. Das Reich zerfiel in Nachfolgestreitigkeiten (1118) und unter dem Druck von mehreren Seiten. Im Osten kamen zunächst (mongolische) Kara Chitai Khane (1125) zur Macht, dann frühere Vasallen der Seldschuken, die (türkischen) Könige (Schahs) von Choresm (Großoase südlich des Aralsees), die zu Anfang des 13. Jahrhunderts ihre Herrschaft von Kabul bis Täbris und von Urgentsch/Buchara bis Schiraz ausbreiten konnten. Seldschuken hielten sich (ab 1243 als Vasallen der Mongolen-Khane) in Anatolien bis die expandierenden Osmanen sie besiegten (Beginn 14. Jahrhunderts).

Ein weiterer früherer Vasall der Seldschuken, der Statthalter von Mossul, eroberte Homs, verteidigte Aleppo gegen den byzantinischen Kaiser und brachte 1144 die Kreuzfahrergrafschaft Edessa (heute Urfa/Türkei, 200 km nordwestlich von Aleppo) in seine Gewalt. Einer seiner Söhne ließ nach des Vaters Tod seine Krieger unter der Führung von zwei Kurden, Onkel und Neffe, Ägypten erobern (1163/64). Der Neffe war Saladin (Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub ad-Dawini) der sich zum Wesir des Fatimidenkalifs ernennen ließ und sich nach dem Tod des Kalifen als Sultan von Ägypten unabhängig machte, die sunnitische Orthodoxie wiederherstellte und, als sein früherer Herr starb, dessen Witwe heiratete, die Herrschaft in Damaskus übernahm, 1183/86 Aleppo und Mossul angliedern konnte und schließlich 1187 Jerusalem den Kreuzzüglern nach 88 Jahren wieder abnahm. Die Ayyubiden-Dynastie war nicht von langer Dauer. Als 1248 die Kreuzritter des 7. Kreuzzuges Ägypten erobern wollten, trommelte Schadschar ad-Dur, eine der Frauen des kranken Sultans die Generäle seiner Mamluken-Reitertruppe (turkstämmige Reiter-Leibeigene) zusammen, darunter das Elite-Korps der Bahri-Mamluken. Die Kreuzfahrer wurden geschlagen, Louis IX von Frankreich gefangen genommen. Doch dann ermordeten Mamluken den Sohn des inzwischen gestorbenen Ayyubiden, der sich ihrer hatte entledigen wollen und ernannten Schadschar al-Dur zur Sultanin, allerdings musste oder sollte sie sich mit einem Mamluken-Emir verbinden, der als al-Malik al-Muizz (Aybak) das Sultanat übernahm, womit die Emire der Bahri nicht einverstanden waren und durchsetzten, dass der 6-jährige Ayyubiden-Nachfolger Mitsultan wurde. "Muizzi"-Mamluken bildeten fortan die Leibgarde, Qutus, eine Neuerwerbung des Sultans, wurde zu ihrem Emir ernannt. Die Bahri vergrößerten ihren Einfluss, als sie sich 1251 in der Abwehr einer Invasion der syrischen Ayyubiden auszeichneten. Schließlich ließ der Sultan durch Qutus den ersten der Bahri-Anführer, Aktay, ermorden (1254). Der zweite, Baibars, entkam nach Syrien und der überflüssige Mitregent wurde abgeschafft. Der Sultan selbst fiel einem Komplott (seiner Gattin?) zum Opfer (1257), worauf Qutus die Sultanin verhaften ließ. Geschickt versöhnte er sich mit den Mamluken Baibars, vereint schlugen sie im September 1260 ein Mongolenheer, zogen in Damaskus ein und Qutus hatte damit Syrien weitgehend unter mamlukische Herrschaft gebracht. Kaum wieder in Kairo, ließ Baibars ihn umbringen und setzte sich selbst an seine Stelle. 17 Jahre lang expandierte er und baute aus, hielt Kreuzzügler und Mongolen in Schach und kann als der eigentliche Gründer der Mamlukenherrschaft über das syrisch-ägyptische Reich gelten.

 

Dchingiskhan hatte 1219/20 die Gebiete der Choresm-Schahs unterworfen.1258 hatte Hülügü, einer seiner Enkel (und Sohn der [nestorianischen] Christin Sorkhatani Beki), Bagdad erobert, das, wie zuvor Alamut (seit 166 Jahren Festung und Zentrum der ismailitischen Assassinen, ca. 100 km nördlich von Teheran in 2000 m Höhe) entsetzlich verwüstet wurde. Das islamische Kulturzentrum verlagerte sich in das Kairo Baibars;  die ägyptischen Mamluken hatten den Führern des ohnehin schon riesigen Mongolenreichs nachhaltigen Respekt eingeflößt. Mongolen und Mamluken kamen zu nachbarschaftlichen Beziehungen. Hülügü regierte sein Teilkhanat (Ilchanat) von Maragha (130 km südlich der Hauptstadt Täbris) aus, die Nachfolger Hülügüs traten gegen Ende des Jahrhunderts zum Islam über und hielten die Macht bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Von einer, von Asien bis Europa reichenden, "pax mongolica" profitierten Handel und Kultur (weniger allerdings die Landwirtschaft).

 

Ebenso unverbindlich: Hochrangige "Universalautoren"

Am Anfang war das Wort? Sehr viel von dem, was heute über antikes und (orientalisch-) mittelalterliches Denken und Handeln bekannt ist, wurde in Schriften überliefert. Geschrieben wurde auf Papyrus, ab dem 5. Jahrhundert nur noch, von Urkunden abgesehen, auf (in Codices gebundenem) Pergament (Technik entwickelt im hellenistischen Pergamon daher der Name, gespannt getrocknete Tierhaut, gebräuchlich bis ins 14. Jahrhundert, s. a. CEEC Köln), bis im 8./9. Jahrhundert im Reich der Kalifen aus China das dort längst bekannte Papier  auftauchte. Papyrus-"Buch"-Rollen haben sich kaum erhalten (s. a. Oxyrinchus). Archäologische Funde (seit dem 19. Jhdt) brachten meist einzelne Dokumente und Fragmente ans Licht.

 

Was wurde geschrieben? Da gibt es, abgesehen von Urkunden und "Buchungen" der Steuereinnehmer und Geschäftsleute, "epische Geschichtserzählungen" (Homer) ("rituelle", an Stelle der kollektiven Riten tretende) Theaterstücke, Gesetzestexte und -kommentare, Anweisungen für Verwaltung, Armee, öffentliche Ordnung, "Lehrbücher" der "Staatskunst", "Baukunst", "Heilkunst", religiöse Texte und Kommentare ("Buchreligionen"), "Welterklärungen" (heute, den jeweiligen Phänomenen entsprechend, nicht der damaligen Auffassung von diesen, "Philosophie","Kosmologie", "Astronomie", "Naturwissenschaften" etc.).

 

Wer schrieb? Der, dem dazu Autorität zukam, in welcher Herrschaftsform auch immer ("theokratisch", "demokratisch", "oligarchisch", "(militärisch-)diktatorisch",...). Leute aus Kreisen der Macht, den Herrschern nahestehend, aber auch solche, die in Gruppen, (religiösen) Minderheiten, Autoritätspersonen waren, und solche die zu lehren, auszubilden hatten (was immer zu lehren, wer auch immer auszubilden war - in der rechten Lehre [der im engeren Sinn religiösen oder im weiteren Sinn gesellschaftlich verbindenden]). Schriften dienten zur Machtausübung und -stabilisierung und übertrugen den Schreibern "maßgebliche" Autorität. Ihre mehr oder weniger zahlreichen Kopisten sorgten für die "Veröffentlichung". Der sagenhafte Gründer "aristotelischer" Schulen und Textüberlieferungen war schließlich der Sohn des Leibarztes makedonischer Herrscher, war selbst der Erzieher des "großen" Alexander und Freund und Berater in Herrscherhäusern.

 Die Überlieferungsgeschichte ist komplex. Es gab Depots für Papyrusrollen und die nachfolgenden Codices: Tempelbibliotheken, Herrscherbibliotheken, im Rom des 3. Jahrhunderts ein paar Dutzend Bibliotheken reicher Leute sowie zeitweilig, in zentralen Städten der Imperien auch einem größeren Publikum zugängliche, also quasi-öffentliche. Eine legendäre Papyrussammlung gab es im hellenistischen Pergamon bis in die Römerzeit. In der Spätantike war Alexandria mit Museon und Serapistempel, das wohl wichtigste Schriften- und Kopistenzentrum und nach der Verlegung des römischen Kaisersitzes nach Byzantion/Konstantinopel (324) entstand dort für kurze Zeit eine bedeutende Sammlung, zu der wohl auch die ersten, auf Pergament kopierten, Papyrusrollen beitrugen. Sie soll 475 einem Brand zum Opfer gefallen sein. Im (Ost-) Römischen Reich der byzantinischen Kaiser und der Patriarchen von Konstantinopel, Antiochia und Alexandria waren die Zeiten für vorchristliche Kulte und auch entsprechendes "Kulturgut" alles andere als günstig (393 Verbot der antiken Olympischen Spiele). Der Serapistempel wurde 391 von Christen zerstört. Der Christ Synesios von Kyrene (im heutigen Libyen) studierte um diese Zeit im Museon, angeleitet von der legendären Hypatia (die 415/16 von Christen bestialisch ermordet wurde) platonische Schriften und wurde trotz seines "Platonismus" Bischof. Von ihm ist die bis heute letzte Nachricht von der großen Bibliothek Alexandrias überliefert. Allerdings existierte offenbar noch geraume Zeit später in der Stadt eine platonische Schule und der christliche Aristoteles-Kommentator Johannes Philoponos scheint um 500 das Museon noch gekannt zu haben. Ab dann jedoch verschwinden die antiken Schriften im Westen wie im Osten so gut wie ganz. Verarmung der Eliten, Verwüstung in Feldzügen, der Gotenkrieg, in Alexandria vielleicht schon um 270 der Feldzug der palmyrisch-syrisch-römischen "Autokratin" Bat Zabbai (römisch Zenobia), christlicher und islamischer "Glaubenseifer" - es besteht kaum ein Mangel an Ursachen, die im jeweiligen Zusammenhang angeführt werden. Im 6. Jahrhundert hat Cassiodor, vormals Senator und in Ravenna "Premier" der Zivilregierung des Gotenkönigs in seinem "Vivarium" in Süditalien nurmehr 100 Codices zusammentragen können: Diese erste Klosterbibliothek war um ein Vielfaches an Texten ärmer als noch die Bibliothek über die Cassiodors, vom Gotenkönig hingerichteter, Vorgänger Boethius verfügen konnte (Boethius hatte ein umfangreiches Übersetzungsprojekt und sein Kommentar sollte zeigen, dass die platonischen und die aristotelischen Schriften nicht gegeneinander stehen).

Texte sind stets "kodiert"; Wortschatz, Formulierungen, Syntax bewegen sich in mehr oder weniger festen, jeweils charakteristischen Rahmen. Ebenso die Inhalte eines jeweiligen Genres. Niemand schreibt "wie er will, was er will". Die Codes der antiken griechischen, weitgehend an Gesellschaftsordnung orientierten Schreiber ("Propheten" für den mittelalterlichen al-Farabi [um 870-950]) setzen ebenso Maßstäbe wie Thora, Neues Testament, Koran. Der typische antike und orientalisch-mittelalterliche Schreiber ist ein "Universalschreiber", er bedient mehrere Genres, zumal diese sich vielfach durchdringen, Texte, die gleichzeitig (aus heutiger Sicht) "theologisch", "juristisch"," medizinisch", "philosophisch", "welterklärend", "theatralisch", "historisch", "administrativ" etc. zu sein haben. Da die Kenntnis von Schriften anderer (durch die er mithin "belehrt" wurde) eher mehr als weniger "zum Handwerk" gehört, wäre er als "Gelehrter" zu bezeichnen, wenn er nicht fast immer gleichzeitig auch ein gewichtiges Amt, oft mit vielfachen Funktionen, ausüben würde: als Hofberater, (Leib-)Arzt, Richter, Instruktor, Verwalter, "Minister", Wesir, Baumeister oder alles dies in einer Person (Philosoph, Theologe, Jurist, Mediziner, Naturwissenschaftler, Ingenieur etc.). Die Texte sind, wenn sie nicht sakrale sind, am ehesten mit solchen zu vergleichen. Sie haben ihre Funktionsbestimmung, die mit ihrer "Kodierung" korrespondiert. Typisch im Islam die Legitimation der Herrschaftsausübung auf der Grundlage von Koran und Hadith, wie bei den Kirchenvätern auf biblischer. Selbstverständlich finden Alltagsleben, Arbeit, Umgebung und Natur in kodierten Formen und Formulierungen in den Texten statt (biblische Gleichnisse und Erzählungen), aber "Realität" im Sinn von Darstellung, dessen "was ist", eher nicht. Wozu auch? "Realwissen" für die Reproduktionsarbeit der Menschen und der Gesellschaft ist zweifellos reichlich vorhanden und verfügbar, aber diese "Wissenschaft", einschließlich "Naturwissenschaft", erscheint damit noch lange nicht in Texten der erlauchten "Schreiber". Die müssen dazu an ihren kodierten Formen schrauben, was mit Gefahren verbunden ist. Andererseits sorgt die gesellschaftliche Entwicklung stets für neue Möglichkeiten und Reformen.

 

Für uns heute empfiehlt es sich, die Formulierungen von Sachverhalten in diesen Texten nicht von vornherein gleichzusetzen mit "Tatsachenwissen" und Darstellung von Fakten. Es ist durchaus so, dass einer etwas sehen mag, erkennt, aber im vorgegebenen Code nur sehr begrenzte Möglichkeiten hat, es zu "verschriften". Oder auch umgekehrt, allein interessiert an "verschriftbarem" Wissen, weil das seine Aufgabe ist und seiner Autorität entspricht, etwas nicht sehen, erkennen kann oder will. Gelegentlich mag sich das zuspitzen zu "weil nicht sein kann, was nicht sein darf". Nicht die Tatsachen, Fakten, Daten stehen im Vordergrund, sondern Praxis (komplexe "Alchimie", nicht Chemie, ebenso komplexe "Astrologie", nicht Astronomie, Heilkunst statt Anatomie und Physiologie). Wir würden also meinen, dass man aus dem Vergleich scheinbar "naturwissenschaftlicher" Beschreibungen in diesen Texten etwas über Änderung der Schriftcodes erfährt, aber nicht ohne Weiteres auf eine naturwissenschaftliche "Entdeckung" - oder nicht - der Autoren schließen sollte. Sie wollten vorrangig durch ihre Schriften etwas erreichen, nicht etwas erkennen. Genauer vielleicht: Die (göttliche) "Wahrheit", an der ihnen (aus gesellschaftlichen und Herrschaftsgründen) liegen musste, fand sich vorrangig nicht in den "Tatsachen", an denen sich unsere heutige Naturwissenschaft orientiert.

 

Neue Kunde in Schriften aus den islamischen Reichen

"Kirchenväter" und "Staatsmänner" der christlichen Welt ließen sich relativ spät auf vorchristliche Schriften ein. Es gab allerdings, wie schon erwähnt, die Auseinandersetzung mit neuplatonischen Schulen. Der Streit um Lehrmeinungen innerhalb der Christenheit (auf höchster Ebene auch zwischen weströmischen und oströmischen Herrschern) im krisengeschüttelten späten Römischen Imperium war gleichzeitig ein politischer um Machterweiterungen, war ein Streit um schriftliche Festlegungen, für die auch vorchristliche Texte herangezogen wurden, allein schon wegen des Bedarfs an Technik der Argumentation, an Redewendungen und Begrifflichkeiten. Das Konzil von Nicea (325) stimmte für die göttliche "Trinität" (die Bekenntnisformel des "Niceanum") und verbannte Arius von Alexandria (gestorben um 338) der den Sohn als Teil der Schöpfung deklarierte. Aber die Arianer waren besonders bei hellenistisch Gebildeten zahlreich, unter Bischöfen gar in der Überzahl. Der Streit ging noch eine ganze Weile weiter, bis das Konzil von Konstantinopel 381 ihn beilegen konnte (die von Wulfila missionierten Goten blieben Arianer). Aber schon fünfzig Jahre später, beim Konzil von Ephesos (431) wurde der Patriarch Nestorius von Konstantinopel wegen abweichender Formulierungen (göttliche und menschliche "physis" "mischen" sich im Gottessohn) verurteilt, einige seiner Anhänger wanderten aus ins Sasanidenreich und infolge der Trennung von Konstantinopel entwickelte sich (missionarisch) die ostsyrische Kirche. "Monophysiten", ursprünglich die  Gegner der "Nestorianer" waren in Ägypten und Syrien einflussreich. Das Konzil von Chalcedon 451, das für eine vollständige Trennung der beiden "Naturen" stimmte, bedeutete auch für sie die Trennung von Konstantinopel. Syrische (jakobitische (nach Jakob von Nisibis gestorben um 338) und nestorianische (ostsyrische und persische) Christen im Sasanidenreich, in der bischöflichen (mönchischen) Schule von Nisibis (heute Nusaybin/Türkei), die zeitweilig nach Edessa verlegt war und im Umkreis des Oberhirten (Katholikos) der Ostkirche in Seleukia-Ktesiphon, der Residenz der Herrscherdynastie, übersetzten im großem Umfang griechische Texte ins Syrische (und nicht zuletzt auch ins Persische). Ihre theologische Gedankenwelt und Formulierungskunst profitierte u. a. von der aristotelischen Logik und die jeweiligen Herrscher vom ideologischen "Bollwerk" gegen Byzanz (Paulus "der Perser" im 6. Jahrhundert, Sergius von Reschaina, der um 500 Galenos ins Syrische übersetzte). 300 Jahre später konnten die "Universalschreiber" in den islamischen Reichen diese Ressourcen nutzen.  Zwar hatten die arabischen Eroberer die Residenz in Ktesiphon (am Tigris, 35 km südlich der neuen Kalifenstadt) zerstört. Aber das Zentrum persischer Heilkunst in Gundischapur (syrisch Beth-Lapat, beim heutigen Dezful, 100 km jenseits der irakischen Grenze), in dem viele aus byzantinischem Machtbereich geflohene Christen und Juden Zuflucht gefunden hatten, blieb unzerstört. Vormals hatten die Migranten im "kirchlichen" und "staatlichen" Auftrag antike Schriften (aus dem Lateinischen und Griechischen) ins Syrische, Hebräische und Persische zu übersetzen und zu vervielfältigen. Jetzt war Arabisch gefragt: An Heilkunst war den islamischen Herrschern nicht weniger gelegen als den zoroastrischen ("Astrologie" und "Alchemie" eingeschlossen), und der Kalif im neuen Bagdad hatte angesichts der auseinandergehenden Lehrmeinungen im Islam, der damit verbundenen Herrschafts- und Verwaltungsprobleme und der christlichen Gegner durchaus ein Interesse, sich an der Herrschaftspraxis der Sasaniden zu orientieren.

 

Von Harun al-Raschid und seinem Sohn al-Mamun wurden die "Spezialisten" aus Gundischapur nach Bagdad geholt, Hiob (Hayyub) von Edessa übersetzte dort weiter medizinische Texte ins Syrische (u. a. galenische) und stellte eine (syrische) naturkundliche Enzyklopädie zusammen ("Buch der Schätze" u. a. nach dem aristotelischen "De mundo"). Gabriel ibn Buchtischu (auch Gabriel Bochtiso) war der Leibarzt des Kalifen, schrieb und übersetzte und förderte die Übersetzer. Ebenso Yuhanna ibn Masawayh (777-857). Letzterer war auch der medizinische Lehrer von Hunayn ibn Ishaq al-Ibadi (809-873), des vielleicht produktivsten aller Übersetzer, wohl auch weil sein Name als der des Chefs im kaliflichen Bayt al-Hikma, einer Art Akademie, für die Produktion der Institution stand. Zahlreiche Schriften Galenos' in arabischer Fassung gehen auf sein Konto, aber auch neuverfasste Texte zu Religion und Logik. Der Nestorianer soll mit Syrisch und Arabisch aufgewachsen sein und später Griechisch, Lateinisch, Persisch gelernt haben. Ein vereinzelter Autor (al-Qifti) schreibt 300 Jahre später, das "Haus der Weisheit" (Bayt al Hikma) sei zu Anfang von 37 Christen, 9 Juden und 8 "Sabiern" (Gestirnsanbeter [ursprünglich babylonisch], nach Maßgabe des Korans als "Buchreligion" gegen eine "Sondersteuer" im Kalifat geduldet und vom Heeresdienst ausgenommen wie auch Christen, Juden, Zoroastrier) betrieben worden. Gesichert ist, das al-Chwarizmi aus Choresm (wie schon die Benennung sagt) dort um 825 seinen (arabischen) Text "über das Rechnen mit indischen Ziffern" (Dezimalsystem und null) und weitere Werke zur geometrischen Lösung von Gleichungen, zur ptolemäischen Geographie verfasste. Die religiöse Einordnung des "Ahnen" der Algorithmen schwankt zwischen zoroastrisch und islamisch. Tabith ibn Qurra (826-901, im Westen Thebit), sein "Kollege", war Sabier aus Harran (heute Südost-Türkei), übersetzte u. a. den ptolemäischen Almagest (gab es vorher schon eine Übersetzung aus dem Mittelpersischen?), Archimedes (zum Heptagon, dem esoterischen Siebenstern) und Euklid und verfasste eigene Werke (s. a. "Satz von Tabit" - "befreundete Zahlen") und war vor allem ein hervorragender Himmelskundler. Kopernikus rechnete mit seinem Wert für das Sternenjahr. Die Banu- Musa-Brüder, Mohammed und Ahmad, die im Byzantinischen Reich im Auftrag des Kalifen griechische Texte kauften und sammelten, sollen Tabit nach Bagdad gebracht haben und verfassten selbst Abhandlungen zu Mechanik und allerlei "Automaten". Genaueres zum Bayt al-Hikma siehe Übersetzung, Translation, Traduction, Ein internationales Handbuch zur Übersetzungsforschung, Berlin, de Gruyter 2007, 2. Teilband, die Beiträge von Mohsen Zakeri (125, Seite 1199) und Hans Daiber (127, Seite 1206).

Im islamischen Reich der Abbassiden wird wie nie zuvor naturkundliches und mathematisches Wissen aufgeschrieben und "theoretisiert", sogar "Experimente" kommen zur Sprache. In der Theokratie theologisch-politisch abgesichert war die bis ins technische reichende, neue Textproduktion der Leibärzte, Kalifenberater, "Kulturminister", "Akademiker" durch den Islam der Mu'tazila. Die Praxis des frühen Islam, allein Allah höchste Autorität zuzugestehen, Menschen allein in Bezug auf Gott in Verantwortung zu nehmen, die Schöpfung und den Koran als "ewig" zu betrachten, hatte durch machtpolitischen Missbrauch an "Wahrheit" verloren. Folgerichtig entstand eine eher "rationalistische" Theologie, die den Menschen eine gottgewollte Vorbestimmung ihres "freien Willens" zugestand und den Koran und die gottgeschaffene Welt aus der zwingenden Ewigkeit herausnahm. Mit menschlichem Verstand zu erkennende "göttliche Wahrheit" (in Menschen und Natur) sollte die offenbarte ergänzen. Diese "Gottsucher-"Theologie hatten sich die Abbassiden zu eigen gemacht und ihre gewaltsame Machtübernahme damit legitimiert. So kam es, dass der Kalif die Aufnahme antiken Denkens und Schreibens in den Islam förderte und die Protagonisten protegierte. Grundlegend für spätere theologisch-philosophische Debatten im Islam waren Texte von Al-Kindi (um 800-873?), dem "arabischen Philosophen", wie er von Zeitgenossen genannt wurde. Der Araber aus dem jemenitischen Stamm der Kinda, dessen Vater Statthalter in Kufa (Irak) war, entwickelte im Bayt al-Hikma sein Denken vornehmlich unter Aufnahme neuplatonischer Autoren. Man ordnet ihn weder den Mu'tazila noch den "Traditionalisten" zu. Erstere fielen unter den späteren Abbassiden in Ungnade, kamen jedoch anderenorts und im "iranischen Zwischenspiel" unter der Herrschaft der (schiitischen) Buyiden (934-1044) im Westen und der Samaniden-Emire (819-1004) im Osten wieder zu Amt und Würden, nachdem sich ihre historischen Gegner in der Nachfolge von Abu al-Hasan al-Aschari (874-936, Dissident der Mutazila) ebenfalls theologisch (und mit einem Quantum an "Logik" und "Rationalismus") formiert hatten, und verloren endgültig an Bedeutung mit der Seldschuken-Herrschaft. In der heutigen Sunna heißt es, seien die Mu'tazila auf 1/5, die Aschariten auf 4/5 zu veranschlagen.

 

Abu Ali ibn Sina (um 980-1037, im Westen Avicenna) wuchs in Buchara, der "Rivalin" Bagdads, auf, schrieb autobiographisch (andere Quellen gibt es nicht), er habe mit 10 Jahren den ganzen Koran auswendig gewusst, indische Arithmetik vom Gemüsehändler gelernt, sich als Teenager mit Hilfe des Kommentars von al-Farabi (Bayt al-Hikma) in aristotelische Schriften vertieft und mit 16 der Heilkunst zugewandt. Der jugendliche Leibarzt des Emirs verlor sein Amt (und den Zugang zur bedeutenden Bibliothek des Emirs) mit dem Sturz der Samaniden und fand in Ray (das heute zu Teheran zählt) beim letzten dortigen Buyiden-Emir ein Amt. In Ray (einige Zeit auch in Bagdad), seiner Heimatstadt, hatte seiner Zeit Abu Bakr al-Razi (860-924, im Westen Rhazes) gewirkt, ein sehr bedeutender heilkundlicher "Empiriker" und philosophisch-islamkritisch ein Gegner al-Kindis. Ibn Sina war einige Jahre später Wesir beim ebenfalls letzten Buyiden in Hamadan und schließlich Leibarzt und Berater des ehemaligen Statthalters von Isfahan und Eroberers von Hamadan. Ibn Sina korrespondierte mit Abu Raihan al-Biruni (973-1048), der aus der choresmischen Hauptstadt Kath kam, und der nicht nur mit einem Kollegen in Bagdad in gemeinsamer Beobachtung der Mondfinsternis von 997 die geographische Längendifferenz der beiden Städte bestimmte, sondern vor allem in Indien reiste, brahmanische Schriften studierte und Indien quasi als "Anthropologe" beschrieb. Die Korrespondenz der beiden Universalautoren galt der Auseinandersetzung mit der aristotelischen Schrift Peri uranoi - De caelo et mundo. Ibn Sina zeigt sich der konservativeren islamischen Theologie verpflichtet. Seine Schriften fanden grundlegenden Eingang in die westliche Heilkunde, medizinisch-heilkundlich unglücklicherweise vor denen al-Razis und anderer "Kollegen" aus den islamischen Reichen.

Córdoba in al-Andalus hatte im 10. Jahrhundert unter den Umayyaden, wie erwähnt, eine Blütezeit, bevor die Stadt (ab 1009) jahrzehntelang umkämpft war, von ehemals verbündeten Berbern geplündert wurde und der letzte Umayyad 1031 in der, inzwischen bedeutungslos gewordenen, Stadt das Feld räumen musste. Die Abbadiden-Berber verlegten die Hauptstadt nach Sevilla, hatten fortdauernd mit anderen Berberstämmen zu kämpfen und zahlten Tribut ans christliche Kastilien, gegen dessen Eroberer sie schließlich die Almoraviden aus Marokko zu Hilfe riefen. Fünf Jahre nach der erfolgreichen Schlacht gegen die Kastilier machten sich die Herren über Marokko auch zu Herren über al-Andalus.

 

Bevor er einer der Führer einer Berberkonföderation in seiner Heimat im Atlas wurde, hatte Ibn Tumart (um 1080-ca. 1130) in Bagdad nicht nur die Aschari-Lehren in sich aufgenommen, sondern auch die des reisenden Sufi-Mystikers und Gegners aller Wiederaufnahmen philosophischen  Denkens im Islam, al-Ghazali (1058-1111, Perser aus Tüs bei Maschhad im äußersten Osten des heutigen Iran). Er stilisierte sich zum "puritanischen" Propheten und Mahner, legte sich in mehreren Städten des Maghreb, zuletzt in Marrakesch, der Hauptstadt der Almoraviden, besonders mit den Maliki-Rechtslehrern (Rechtsprechungspraxis nach Malik ibn Anas, Medina 711-795) an, bis er als ein "Erleuchteter" von der neugebauten Festung Tinmal im Hohen Atlas zur Revolte gegen die Almoraviden aufrief. Nach empfindlichen Niederlagen und nach ihres Propheten Tod gelang den Almohad-Kriegern ("Gottgläubigen") die Eroberung Marrakeschs (1146), Abd al-Mu'min begründete die Dynastie der Almohaden, die ganz al-Andalus in ihrer Hand hatte und in Sevilla residierte, bis zur christlichen "Reconquista" der Stadt 1248.

 

Im Sevilla der Almohaden war Ibn Zuhr (westlich Avenzoar, 1092-1162) nach Jahren im Dienst der Almoraviden (am Hof in Marrakesch, zuletzt in Ungnade) Leibarzt und Wesir von Abd al-Mu'min. Seine Tochter wurde bekannt als Hebamme. Ibn Zuhrs Textbeiträge zu Pathologie, Chirurgie und therapeutischen Methoden wurden ins Hebräische und Lateinische übersetzt und waren einflussreich über die Heilkunde hinaus: Sein Schüler und Freund Ibn Ruschd (westlich Averroes, 1126-1198) berief sich in seinem einschlägigen Text auf die Schrift Ibn Zuhrs. Ibn Ruschd war hauptamtlich Kadi von Sevilla und amtierte als Jurist auch in Córdoba und in Marokko bis orthodoxe Kritiker seiner "rationalistischen" islamischen Rechtsauffassung die Oberhand gewannen und der regierende Almohad (der ihn auch als Leibarzt beschäftigte) ihn entließ. Erst kurz vor seinem Tod wurde er wieder eingesetzt. 30 Jahre verbrachte dieser Universalautor mit Studien und dem Verfassen von Texten für die Nachwelt. Die Griechen las er in arabischer Übersetzung, verfasste Kommentare zu aristotelischen und platonischen Schriften, argumentierte gegen al-Ghazalis Verdammung der Philosophen im Islam, namentlich auch Ibn Sinas und auf seinem "amtlichen" Feld vertrat er die Rechtslehre der Maliki-Schule, wie auch sonst eine "rationalistische" islamische Praxis. Er kompilierte galenische Schriften und diejenigen von Ibn Sina (dessen "Neoplatonismus" er nicht teilte). Zur Mechanik notierte er tragende Gedanken zu Kräften und zur Trägheit von Körpern und zur Optik, dass der Regenbogen durch Spiegelung des Sonnenlichts an Wolken entstünde. Hauptsächlich seine Kommentare aristotelischer Schriften machten ihn berühmt, sie beeinflussten zeitnah in hebräischer Übersetzung u. a. Maimonides (1135/38-1204), in lateinischer u. a. Thomas von Aquin (1225-1274).

 

Eine Reihe von mittelalterlichen Autoren, auf deren überlieferte Texte in einem Modul "Entdeckungen in arabischen Schriften des Mittelalters" ("Découvertes en pays d'Islam") des französischen Vorschul- und Grundschulprogramms "La main à  la pâte"  Bezug genommen wird:

Ibn al-Haytham (um 965-1038/40, im Westen Alhazen) war Perser oder Araber, über dessen Leben wenig bekannt ist. Zunächst in Bagdad gegen Ende der Abbassiden-Dynastie, diente er den nachfolgenden Buyiden, anschließend den Kairoer Fatimiden als "Fachmann" für den Bau eines Stauwerks an der Stelle des heutigen Assuan-Damms. Dieser Bau soll sich als zu schwierig erwiesen haben. Er soll daraufhin den Herrschaftsbereich der Fatimiden jedenfalls zeitweilig verlassen und wahrscheinlich in al-Andalus seine Bücher zu Optik und "Kosmologie" verfasst haben. Von seinem Kitab al Manazir (Buch zur Optik) ausgehend, schrieb Ibn Ruschd (Averroes) seinen Text zur Optik, der dann von al-Farisi wieder aufgenommen wurde. Ibn al-Haytham führte methodisch Experimente in die Diskussion ein und seine Schrift sollte später in lateinischer Übersetzung westliche "Beobachter" des Lichts und des Himmels anregen (u. a. Roger Bacon [1214-1294] und Johannes Kepler [1571-1630]).

 

Kamal al-Din al-Farisi (1267-1319) war Perser und wirkte in Täbris (heute Ost-Aserbaidschan/Iran), seiner Heimatstadt, seinerzeit Hauptstadt des mongolischen (Teil)-Khanats, dessen teils nestorianisch-christliche, teils buddhistische Herrscher zu Al-Farisis Lebzeiten aus Machterhaltungsgründen zum Islam übertraten und sowohl militärische als auch kommerzielle Kontakte mit europäischen Machthabern knüpften. Ein Zeitgenosse war Raschid al-Din Tabib (1247-1318), jüdisch-islamischer Leibarzt und Großwesir des Khans, der in dessen Auftrag auf Persisch eine enzyklopädische Geschichte des Islam verfasste (in Teilen überliefert) und, vermutlich fälschlich, des "Königsmordes" beschuldigt, hingerichtet wurde. Al-Farisi revidierte Ibn Haythams Optik, beschrieb Experimente zur Brechung und Spiegelung mit der Camera obscura und verfasste Beiträge zur Zahlentheorie in der Nachfolge von Thabit ibn Qurra, 400 Jahre nach dem Sabier.

Ibn al-Nafis (1210/12-1288) aus Damaskus wirkte als Leibarzt und Jurist unter dem Mamlukenherrscher Baibars in Kairo. Sein heute bekanntester Beitrag zur Heilkunde ist eine 1920 aufgefundene Schrift mit der ersten wissenschaftlich treffenden Beschreibung des Lungenblutkreislaufs in der sich der Autor von seinen "Vorgängern" Galenos (in Ibn Ishaqs Übersetzung) und Ibn Sina absetzt. Als Jurist vertrat er die von den Mamluken verordnete sunnitische Schafi'i-Praxis (nach Imam Asch Schafi'i [716-815]) islamischer Rechtsprechung, die bis heute in vielen islamischen Staaten vorherrscht.

Unter Malik-Schah (soviel wie König-König - arabisch-persisch, regierte 1072-1092) und seinem und seines Vorgängers persischem Wesir Nizam al-Mulk erreichte die Seldschuken-Herrschaft (in mörderischen Feldzügen und Nachfolgeschlachten) ihre größte Machtfülle. Hauptstadt war jetzt Isfahan, nachdem der erste Seldschuk noch in Nischapur (Chorasan, Ostprovinz zur afghanischen Grenze hin) residiert hatte. Bagdad blieb als Stadt des Kalifen symbolisch bedeutend. Der "Staatsmann", der seit seiner Berufung zum allmächtigen Wesir den Namen "Nizam al-Mulk" (etwa "Ordnungskraft des Reiches") trug, zwischen türkischen Herrschern und persischen Untertanen zu vermitteln hatte und sich politisch-theologisch an den Abbassiden orientierte, gegen Fatimiden und Ismailiten (Hassan in Alamut, der Namensgeber der Assassin) kämpfen ließ, rief hier 1066 die erste Madrasa, die nach ihm benannte al-Nizamiyya, ins Leben. Eine Neuerung, die in den islamischen Ländern zu bedeutenden Nachfolgegründungen führen sollte, eine (Hoch-) Schule neben der Moschee, die geistliche und weltliche Lehraufgaben hatte.

 

Der Wesir zog Omar Khayyam (1048-1131), der sich als Geistlicher, Rechtsgelehrter, Astrolog und Arzt in seiner Heimatstadt Nischapur, in Buchara und Samarkand einen Namen gemacht hatte, an den Hof. 1073/74 wurde nach seinen Maßgaben ein Observatorium gebaut, Omar Khayyam errechnete aus Sonnenbeobachtungen einen Kalender, genauer als der spätere Gregorianische, stellte die "Tabellen des Malik-Schah" einschließlich eines kleinen Sternkatalogs auf und widmete sich, auch er in der Nachfolge Thabits, mathematischen Problemen. Im Westen wurden im 19. Jahrhundert von ihm verfasste Verse einer eigenen Form, die Rubayyat sehr bekannt. Nach dem Tod des Sultans und seines Wesirs in Ungnade gefallen, lebte er in Balkh (im heutigen Afghanistan). Ein späterer Autor schrieb (unter dem Titel "Vier Begegnungen") in einer poetischen Erzählung seines Besuchs am Grab Omar Khayyams in Nischapur (unter blühenden Aprikosenbäumen), vier Jahre nach seinem Tod: Im Jahr 1113 hätten sich Imam Umar Khayyam und Imam Muzaffar Isfizari in Balkh im Haus des Statthalters aufgehalten und er sei auch dort gewesen.

Von Muzaffar al-Isfizaris (nicht zu verwechseln mit Abu Hamid al Isfizari, auf den Ibn Sina sich stellenweise beruft) Leben ist im übrigen wenig bekannt. Wie der Name sagt, wuchs er in Isfizari bei Herat (persisch Paschtu, heute Afghanistan) auf, könnte zeitweilig in Merw (Oasenstadt, heute Mary/Turkmenistan, ein Zentrum schon zur Zeit der Abbassiden später letzte Residenz der Seldschuken-Dynastie) dem Sultan Ahmad Sandschar (1085-1157,  einer der verfeindeten Söhne Malik-Schahs, 1096 Sultan von Chorasan, 1118 Herrscher des ganzen Reichs bis zur Niederlage 1141 gegen die Kara Chitai) gedient haben. Er soll um 1113 gestorben sein. In ihrem Beitrag "Statik" zur "Encyclopedia of the History of Arabic Science" (London, Routledge, 1996 Vol. 2, Seite 614) zitiert Mariam Rozhanskaya al-Isfizari nach dem Kitab mizan al-hikma (etwa: Schrift über die "intelligente" Waage) al-Chasinis:

"Die logischen Ergebnisse, die wir geometrisch vorgestellt haben, beruhen auf der Annahme, dass der Waagebalken durch eine imaginäre gerade Linie dargestellt ist. Imaginäre Linien haben kein Gewicht, mit ihnen kann man keine Lasten auswiegen und wir können an einer solchen nicht aufhängen, was wir wiegen wollen, weil sie keine reelle Gerade ist. Ein Waagebalken hingegen ... ist ein schwerer Körper und sein Eigengewicht kann das Gleichgewicht empfindlich stören, falls er nicht genau im Mittelpunkt aufgehängt ist."

Wie schon Thabit ibn Qurra in der Nachfolge Euklids widmete sich al-Isfizari in seinen Texten den Gleichgewichtsbedingungen und den wirkenden Kräften. Von Abd al-Rahman al-Chasini (nicht zu verwechseln mit Abu Djafar al-Chasin aus Chorasan in Ray zur Zeit der Buyiden) weiß man auch kaum mehr, als dass er Grieche war (Sklave als Kriegsbeute vom Feldzug gegen Byzanz), vermutlich später als al-Isfizari geboren wurde, und in Merw, wohl bewusst asketisch, am Hof des Sultans Sandschar gelebt und gearbeitet hat. Spätere Autoren beeindruckten seine Schriften durch die systematische Darstellung experimenteller Ergebnisse zu Problemen der (Hydro-) Statik und Dynamik. Wie zuvor al-Biruni kann er als Pionier experimenteller Naturforschung gesehen werden. In der Nachfolge der Banu-Musa-Brüder (und in Fortsetzung der archimedischen) gibt er Beschreibungen von mechanischen Instrumenten, neben der komplexen Waage zur Bestimmung von Legierungen u. a. auch die einer genauen Wasseruhr für astronomische Beobachtungen.

 

Die Landschaft südlich vom türkischen Taurusgebirge, vom Euphrat im Westen zum Tigris im Osten, also der Norden des alten Mesopotamiens (kurdisch Mezopotamya), bis etwa zum heutigen Tikrit hieß nach der arabischen Eroberung Al Dschasira (soviel wie "Halbinsel" hier vielleicht besser "Land zwischen Wassern", praktisch also die Übersetzung der alten griechischen Bezeichnung). Die Provinz mit dem Chabur als drittem großem Flusslauf war (und ist noch immer) wirtschaftlich bedeutend mit Zentren wie Diyarbakir (ehemals Amid) und der Grenzstadt Cizre (ehemals al Dschasirat ibn Umar), beide am Oberlauf des Tigris in der heutigen Türkei, wie Mosul im heutigen Irak,  wie Ar Raqqa am Euphrat im heutigen Syrien und andere mehr.

In Al Dschasira herrschten im 11. und 12. Jahrhundert die Ortoqiden (auch Artukiden nach Artuk, dem ersten der Reihe, türkisch Artukogullari "Artuk-Söhne"), eine turkmenische Dynastie, zuletzt Vasallen der Ayyubiden und Seldschuken. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts ließ einer dieser Herrscher in Amid den prächtigen Artuklu-Palast (türkisch Artuklu Sarayi) bauen, dessen Reste seit 1960 zu einem kleinen Teil ausgegraben wurden. Diyarbarkir  war im ersten Weltkrieg einer der Schreckensorte des armenisch-assyrischen Völkermords begangen von Türken und Kurden (mit finanzieller Unterstützung des deutschen Verbündeten). Schon zur Zeit der Ortoqiden lebte dort eine bunte Mischung von Türken, Kurden, Arabern, Syrern, Armeniern - islamischer, christlicher und jüdischer Religionen. Im Auftrag des Herrschers fertigte 1206 (und/oder ließ anfertigen?) al Scheich Rais al Ahmal Badi al-Zaman Abu al Hiss ibn Ismahil ibn al Rassas al Dschazari ein sechsbändiges arabisches Werk: al-Jamilh beyn al-hilm wa hamal, al-nafih fi sinahat al-hial (etwa "Ein Sammelwerk zu Theorie und Praxis der mechanischen Künste"), dessen älteste der wenigen überlieferten Kopien noch im Jahr 1206 angefertigt wurde und im Topkapi-Museum in Istambul aufbewahrt wird. über den Autor  (oder die Autoren, namentlich wenn man die der kunstvollen bunten Illustrationen einbeziehen möchte) weiß man wohl nicht mehr als das, was dem langen Verfassernamen und dem, was im Buch selbst steht, zu entnehmen ist: "Scheich" qualifiziert ihn als einen hohen Würdenträger "Rais al-Ahmal" bedeutet in etwa Chef der Bauwerke und "Badi al-Zaman" der Einzige und Unvergleichliche. "Al-Dschazari" mag heißen "der aus dem al Dschasira-Land" oder "der aus Dschasirat ibn Umar (heute Cizre)". Man entnimmt dem Buch, dass der Autor seit 1174 bei Hof tätig war und 1198 mit der Anfertigung begonnen hat. Die erste überlieferte Kopie lässt erkennen, dass er, der im Westen als al-Dschasari kursiert, wohl noch 1206 gestorben ist. Das Werk ist in mehr als einem Dutzend arabischen und einer persischen Fassung überliefert, fand seinerzeit große Verbreitung in der arabischen Fassung und wurde bald auch im Westen gelesen und zitiert. Es beschreibt 50 Geräte und mechanische Vorrichtungen, u. a. (Wasser-) Uhren, Gefäße und anderes Zubehör für Trinkgelage, Gerätschaften zur Phlebotomie und zur rituellen Waschung, Springbrunnen und  Musikautomaten, Wasserhebewerke. Die fünfzig Beschreibungen werden durch 174 Zeichnungen unterstützt und bereichert (Quelle: www.history-science-technology.com). 
 

Französische Lehrbücher bezeichnen die trigonometrische Beziehung die zwischen den Seiten a,b,c eines Dreiecks und dem der Seite c gegenüberliegenden Winkel Gamma besteht, nämlich a2 + b2 = Ã¢â‚¬â„¢ 2ab cos γ = c2, auch Kosinussatz genannt (und im Spezialfall des rechtwinkligen Dreiecks der Satz des Pythagoras), als "théorème d'Al-Kashi". Um die Wende zum 15. Jahrhundert hatte Temür (türkisch "das Eisen", westlicher Name Tamerlan) in Feldzügen gegen die Goldene Horde im Norden, die Mamluken und Osmanen im Westen und den Sultan von Delhi im Süden ein Reich, fast wie das mongolische, unter großen Verwüstungen erobert. Sein Nachfolger Schah Ruch setzte auf stabilisierenden, diplomatischen wie wirtschaftlichen Austausch mit Ming-China, mit der Goldenen Horde, mit Ägypten und mit Indien, konzentrierte die eigene Herrschaft aus Herat auf Persien, hielt sich an islamische Rechtsprechung und setzte seinen Sohn Mirza Muhammad Tariq genannt Ulugh Beg ("Großer Herrscher") als (weitgehend unabhängigen) Statthalter in der von Temür prächtig ausgebauten vorherigen Hauptstadt Samarkand ein. Es heißt, der Prinz mit dem Beinamen "Astronom" habe, in Anlehnung an seinen Großvater, im Gegensatz zu seinem Vater, auf die Einführung der islamischen Rechtsordnung verzichtet.  Er gründete 1418/20 eine nach ihm benannte große Madrasa und ein paar Jahre später dazu das Observatorium Gurkani Zij (Observatorium der Gurkani, wie die Timuriden auch genannt wurden).

Vorbild für das Observatorium war die Sternwarte Rasad-e Khan die der Mongolenkhan Hülügü durch seinen Hofastrologen Nasir al-Din al-Tusi (1201-1274) bauen ließ und mit christlichen, armenischen und georgischen, persischen und chinesischen Himmelskundlern bevölkerte. (übrigens soll Al-Tusi die ismailitische Festung Alamut an den Khan verraten haben.) Mit dem Namen des Erbauers verbinden sich Berechnungen der Präzession der Äquinoktien und Tabellen zu Fixstern- und Planetenpositionen. Diese "Tabellen des Ilkhanats" revidierte Dschamschid Mas'ud al-Kaschi (um 1380-1429) für sich und die Kollegen (auch der Herrscher selbst war beteiligt) am Gurkani-Observatorium. Er kam aus Kaschan in der Provinz Isfahan im heutigen Zentraliran und war, bevor Ulugh Beg ihn zum Lehrer der Madrasa von Samarkand machte, "hauptberuflich" Arzt. Außer den sogenannten "(Stern-)Tafeln des Khans" zeichnet Al-Kaschi als Autor von trigonometrischen Formeln und einer auf 16 Stellen im indischen Dezimalsystem genauen Bestimmung von pi. Der Sternkatalog der Gurkani-Observatoren umfasst Angaben zu um die 1000 Sternen (wie schon, nur wesentlich ungenauer, der ptolemäische Almagest). Das Observatorium hatte (soweit sich rekonstruieren ließ) einen Rundbau von 30 m Höhe und 46 m Durchmesser, der Beobachtungen vom Osten bis Süden erlaubte, und einen Sextanten (oder Quadranten) mit einem Radius von ca. 40 m. Ulugh Beg wurde 1449 ermordet, 20 Jahre später wurde die Sternwarte geschlossen und zerstört. Die Sterntafeln kamen jedoch mit Ali ibn Muahammad al-Quschdschi, einem der Gurkani-Beobachter, zunächst nach Herat, dann ins osmanische Istambul, wo der Astronom/Astrolog aus Samarkand an der Madrasa der Hagia Sophia lehrte, und von dort schließlich nach Westeuropa.

 

Vorläufig abschließende Bermerkungen

Die hier in Betracht gekommene "Textproduktion" aus islamischen Reichen erstreckt sich über rund sieben Jahrhunderte und die Heimatorte der Verfasser und Kopisten verteilen sich über tausende von Kilometern von Afghanistan bis Marokko. Die "Codes", die den Texten Grenzen setzen, ändern sich zeitlich und von Ort zu Ort. Maßgebend für die Veränderung und die Wiederaufnahme früherer Schriften und Überlegungen sind keineswegs nur Varianten islamischer Theologie, Rechtslehre und Herrschaftspraxis, sondern vielfach Einflüsse aus anderen Kulturen und Religionen. Mit wenigen Ausnahmen sind die (nominellen) Verfasser "Universalautoren", die in ihren Schriften ein Spektrum von Wissens-(vielleicht besser Praxis-)gebieten behandeln. Mit so gut wie keinen Ausnahmen haben sie gleichzeitig hochrangige Ämter und Funktionen. Dabei fallen Heilkunde und Rechtssprechung bei den "Staatsmännern" besonders ins Gewicht. Die Vertreter der Ersteren nicht immer Muslime, die der Letzteren stets auch "Theologen". Häufig verkörpert einer (es geht ausschließlich um Männer) beide Kategorien. Heilkunst vermischt sich mit Natur- und Sternenkunde, und diese mit Glaubenslehren und Rechtsprechung. Erst gegen Ende des Zeitraums zeichnen sich vielleicht größere Schwankungen zwischen Tendenzen zur "Spezialisierung" und regelrechtem, sich traditionalistisch legitimierendem Widerstand gegen solche Neuerungen ab.

Vielleicht bemerkenswert im Hinblick auf einen geopolitischen Horizont, dass viele der östlichen Hauptstädte der mittelalterlichen Reiche an der uralten Karawanen- und Handelsstraße von China nach Europa und Nordafrika lagen: Istambul, Ankara, Antiochia, Aleppo, Kairo, Palmyra, Bagdad, Hamadan, Nischapur, Merw, Buchara, Samarkand. Bemerkenswert sicher die extreme Vielfalt der "Abstammungen" (ethnisch, religiös-kulturell etc. ) der Autoren. Nicht zu vergessen schließlich auch, dass im Osten Indien und China zeitgenössisch nicht nur praktisch-technisches, sondern auch ideologisch-theologisches Wissen ausstrahlten, das nicht wenig zum überlieferten beitrug.

Vorliegende Zusammenstellung beruht im Einzelnen oft auf Lektüren von Beiträgen in hauptsächlich der deutschen, der englischen und der russischen Wikipedia. Als Laie in Sachen "Arabistik", "Islamwissenschaft", "mittelalterliche Gechichte" hat der Verfasser unüberwindliche Schwierigkeiten mit der Übernahme ursprünglich zeitgenössischer Begriffe und Namen (aus arabischer, syrischer, mittel- und neupersischer, türkischer, mongolischer usw. Sprache aber auch aus der griechischen und lateinischen). Und das nicht nur in der Rechtschreibung der transliterierten Fremdwörter. Offensichtlich sind Wörter wie Arzt, Jurist, Astronom, Mathematiker, Physiker, Chemiker, Pharmakologe "Übersetzungen"" oder auch "Recodierungen", die nur zu deutlich die Gefahr von Verfälschung und ("eurozentristischer") Vereinnahmung erkennen lassen. Die von ihnen beanspruchte "Universalität" der Autoren geht allzu leicht verloren.

Die angesichts der "Übersetzungsproblematik" entstehende Hilflosigkeit führt einigermaßen zwingend dazu, die eigenen, mehr oder weniger bewussten Codes in Frage zu stellen. Die in modernen Verfassungen festgeschriebene "Freiheit der Wissenschaft" ist insofern eine trügerische Formel, als sie unser Verständnis von Spezialisierung, Fortschritt, Wachstum nicht direkt anspricht. Auch Abgrenzungen durch andere Verfassungsartikel lassen Fragen wie "Wer ist "die Wissenschaft"?" und "Freiheit wozu?", "Welche Forschung?" unbeantwortet. Wenn im Verständnis der mittelalterlichen Universalautoren (ob islamisch oder christlich oder sonst wie) einige wenige zu entscheidenden Antworten "autorisiert" waren, und ihre Autorität aus sakralen Texten zu rechtfertigen bestrebt waren, nehmen unsere Verfassungen prinzipiell jedermann in "Verantwortung". Bürgerinnen und Bürger müssen sich demnach, vor allem auch dort, wo sie ausgebildet werden, tendenziell an gleichen "universalen" Ansprüchen abarbeiten wie die erlauchten mittelalterlichen "Universalschreiber", und in einer "Gesamtschau" des zeitgenössischen Wissens eine zukunftsweisende, konsensfähige "staatsmännische" Praxis zu entwickeln trachten. Trotz aller Spezialisierung besteht, auch wenn sie nicht zu erfüllen ist, die politische Aufgabe. Dazu kann eine kritische Auseinandersetzung mit den mittelalterlichen Texten und dem jeweiligen Kontext derart viel beitragen, dass die Hervorhebung von "Beiträgen zur Geschichte der Naturwissenschaften (und der Medizin)" (die zwangsläufig eine bestimmte historisch-politische Vorstellung von Spezialisierung bedient) unzulässig oder zumindest bedauerlich erscheint.